10. Etwas härtere Nüsse (Vermischte Herausforderungen)

10.01 "Warum hat Deutsch drei verschiedene Artikel?!" stöhnen unsere Lerner. In der Tat: Vielleicht wäre das nicht unbedingt nötig. Welche vier der hier aufgeführten Sprachen kommen ganz ohne die Unterscheidung von Genera beim Nomen aus... und machen es ihren Sprechern damit um so schwerer, sich an unsere Genusunterscheidung zu gewöhnen?

1) Englisch
2) Französisch
3) Spanisch
4) Italienisch
5) Chinesisch
6) Russisch
7) Türkisch
8) Japanisch

 

10.02 Etymologie gehört – vielleicht zu Recht – nicht zu den üblichen Unterrichtsgegenständen in DaF. Manchmal könnte sie aber als Gedächtnisstütze nützlich sein. Von den folgenden zehn Behauptungen über etymologische Verwandtschaft sind drei allerdings nicht haltbar – es handelt sich höchstens um Eselsbrücken. Welche sind’s?

1) SALAT ist verwandt mit SALZ.
2) GEMÜSE ist verwandt mit MUT.
3) DECKE ist verwandt mit DACH.
4) LICHT ist verwandt mit LEICHT.
5) FERIEN ist verwandt mit FEIER.
6) JACKE ist verwandt mit JAKOB.
7) HOLEN ist verwandt mit HALLO.
8) FERTIG ist verwandt mit FAHREN.
9) HERBERGE ist verwandt mit HERR.
10) APFELSINE ist verwandt mit CHINA.

 

10.03 "Wann man so etwas als Anzeichen für einen beginnenden Umschwung ansehen soll, gibt es in dem Artikel keine klaren Aussagen." Worin liegt der Fehler?

1) GIBT hat hier zwei Subjekte; das darf nicht sein.
2) GIBT hat hier zwei direkte Objekte, denn auch der Nebensatz fungiert als Objekt zu GIBT. GEBEN kann aber nicht zwei direkte Objekte haben.
3) Ein temporaler Nebensatz (WANN...) kann nicht das Objekt eines Verbs bilden.
4) Der Nebensatz ist ein Attribut zum Objekt des Hauptsatzes; in dieser Funktion kann er nicht im Vorfeld des Hauptsatzes stehen.
5) Grammatisch ist der Satz richtig; man würde sich an ihm gar nicht stoßen, wenn der zweite Teilsatz kürzer wäre.

 

10.04 "Es ist darauf zu achten, damit die Speisen zueinander passen": Welcher Kommentar scheint Ihnen von der Sache her richtig?

1) Grammatisch ist der Satz in Ordnung – DARAUF muss sich ja nicht auf den Nebensatz beziehen.
2) Nein! ACHTEN AUF braucht als Ergänzung einen DASS-Satz oder ein Akkusativ-Objekt; der Satz ist ungrammatisch.
3) ACHTEN AUF kann mit Akkusativ-Ergänzung stehen, DARAUF ACHTEN aber braucht immer eine Ergänzung in Form eines DASS-Satzes.
4) DARAUF braucht einen DASS-Satz als Ergänzung, mit ACHTEN hat es nichts zu tun (vgl. "Wir trinken darauf, dass...").
5) Der Satz ist deswegen falsch, weil ACHTEN hier zwei konkurrierende Ergänzungen hat: DARAUF und den DAMIT-Satz.

 

10.05 "Aus der verlängerten Lebenserwartung entstehen aber auch viele soziale Probleme, die man früher nicht auf den Gedanken kommen konnte", schreibt ein japanischer Student. Wo liegt der Fehler?

1) KOMMEN ist nie transitiv; deswegen kann man keine Akkusativ-Ergänzung (DIE) daran anschließen.
2) DIE steht nicht im Akkusativ, sondern im Nominativ; dadurch hat der Relativsatz zwei Subjekte (DIE und MAN), was nicht sein darf.
3) Ob DIE im Akkusativ oder Nominativ steht, spielt keine Rolle; GEDANKEN bezieht sich auf PROBLEME und darf deswegen nicht so weit von diesem entfernt stehen.
4) Nein – im Relativsatz fehlt eine Präposition; es heißt AUF DEN GEDANKEN KOMMEN AN ETWAS, und dieses AN muss vor dem Relativpronomen stehen.
5) Mit der Präposition hat es nichts zu tun: Relativsätze können nicht an Akkusativ-Objekte (hier: VIELE SOZIALE PROBLEME) angeschlossen werden.

 

10.06 "Deswegen ist sehr unwahrscheinlich eine Volksabstimmung über eine Verfassungsänderung."

Worin liegt der Fehler?

1) Das Subjekt eines Hauptsatzes (hier: EINE VOLKSABSTIMMUNG) muss entweder direkt vor oder direkt nach dem Verb stehen.
2) Wenn das Prädikatsnomen (SEHR UNWAHRSCHEINLICH) nicht am Satzanfang steht, muss es so weit wie möglich am Satzende stehen.
3) Zwischen dem Verb und einer indefiniten Ergänzung (EINE VOLKSABSTIMMUNG) kann kein Adverb stehen.
4) Adverbien (SEHR UNWAHRSCHEINLICH) stehen nach obligatorischen Ergänzungen des Verbs.
5) Adjektive (UNWAHRSCHEINLICH) müssen, wenn sie erweitert sind (SEHR), am Satzende stehen.
6) Negierte Adjektive (UNWAHRSCHEINLICH) müssen am Satzende stehen. "Demnächst ist sehr wahrscheinlich eine Volksabstimmung" wäre ja richtig.

 

10.07 Über "die richtige Interpretation der Freges Gedanken ..." schreibt ein Student in einer Hausarbeit. Wenn man diesen Fehler kommentieren wollte – welcher Kommentar träfe am ehesten den Punkt?

1) Es muss "...der Fregeschen Gedanken" heißen, denn der sächsische Genitiv (FREGES) eignet sich nicht als Attribut.
2) Doch, aber wenn er als Attribut verwendet ist, muss er hinter dem Nomen stehen, auf das er sich bezieht (GEDANKEN).
3) Das muss er nicht. Aber wenn er vor dem Nomen steht, sollte er nicht nach dem Artikel, sondern anstelle des Artikels (DER) stehen.
4) Nein – "die richtige Interpretation Freges Gedanken" ist ja auch falsch; der zitierte Ausdruck ist nicht grammatisch, sondern stilistisch schlecht: FREGES ist Attribut zu GEDANKEN und GEDANKEN wiederum Attribut zu INTERPRETATION; solche Verschachtelungen sind stilistisch unschön.

 

10.08 "Jede Familie kann sich ihr Glück ohne Kinder nicht vorstellen": Der Satz wirkt – zumindest auf den ersten Blick – ungrammatisch. Worin man den Fehler sieht, hängt aber wahrscheinlich davon ab, welche Aussageabsicht man dem Sprecher unterstellt, ob er nämlich sagen will (1) alle Familien, oder (2) die meisten Familien glauben, dass sie ohne Kinder nicht glücklich werden. Ordnen Sie die folgenden Kommentare diesen beiden Bedeutungsvarianten zu; einer der fünf Kommentare wird übrig bleiben, weil er zu keiner der beiden Lesarten passt. Welcher ist es?

1) Gemeint ist Satzteilnegation; NICHT muss also vor OHNE KINDER stehen, denn dies soll negiert werden.
2) Die Verneinung von JEDE FAMILIE lautet NICHT JEDE FAMILIE; insofern ist der Satz falsch negiert.
3) Die Verneinung von JEDE FAMILIE ist KEINE FAMILIE; insofern ist der Satz falsch negiert.
4) Der Satz ist grammatisch in Ordnung, er muss nur richtig betont werden: steigender Ton auf JEDE, fallender Ton auf NICHT.
5) NICHT und OHNE heben sich weg (doppelte Negation); richtig sollte der Satz also lauten "Jede Familie kann sich ihr Glück mit Kindern vorstellen".

 

10.09 "In den letzten einigen Jahren haben wir…": Falsch! Aber warum? Welcher Argumentation würden Sie sich am ehesten anschließen?

1) EINIGE verhält sich syntaktisch wie ein Artikel, d.h. es kann den Platz des Artikels einnehmen (EIN JAHR – EINIGE JAHRE). Zwischen einem Adjektiv und dem Nomen, auf das es sich bezieht, darf kein Artikel stehen (LETZTEN … JAHREN). Außerdem hat JAHREN ja hier schon einen Artikel, nämlich DEN, und zu einem Nomen gehören nie zwei Artikel.
2) Daran kann es nicht liegen, denn IN EINIGEN LETZTEN JAHREN wäre ja ebenso falsch, obwohl hier EINIGEN genau an der Stelle des Artikels steht. Der Grund ist vielmehr, dass man mit den LETZTEN JAHREN nur wenige Jahre meint, mit EINIGEN dagegen mehrere. Es liegt also ein semantischer Widerspruch vor.
3) Ja, ein semantischer Widerspruch liegt vor, aber er liegt darin, dass IN EINIGEN JAHREN sich auf einen Zeitpunkt in der Zukunft bezieht, IN DEN LETZTEN JAHREN dagegen auf einen Zeitraum in der Vergangenheit.
4) Nein, das Problem entsteht durch die Verbindung des bestimmten Artikels (DEN) mit einer unbestimmten Angabe zur Zeitdauer (EINIGE JAHRE ist ja recht vage); bei anders formulierten, aber ebenso vagen Zeitangaben (etwa MEHRERE JAHRE) würde es ja genauso auftreten.

 

10.10 "Das ist kein einziger Fall" – was gemeint ist, ist klar: "Das ist kein Einzelfall". Aber warum ist der Satz so seltsam?

1) Es ist ja offensichtlich von einem Fall die Rede – auf diesen Fall referiert DAS. Ein Fall kann aber nicht kein Fall sein und folglich auch kein einziger Fall.
2) Gemeint ist ein Fall, der nicht einzig ist. KEIN soll also EINZIG (als Attribut zu FALL) negieren. Das geht so nicht, da EINZIG nicht Attribut zu FALL ist, sondern zu KEIN.
3) Anders: Der Satz ist deshalb ungrammatisch, weil EINZIG sich nicht mit einer Negation verträgt: "Mir ist nur ein einziger Fall bekannt" wäre ja eine ganz normale Äußerung.
4) Nein – der Fehler liegt darin, dass EINZIG von seiner Bedeutung her definit ist und sich folglich nur mit dem definiten Artikel verträgt. Dieser aber wird mit NICHT verneint ("Das ist nicht der einzige Fall") und nicht zu KEIN zusammengezogen.
5) Der Satz ist grammatisch und semantisch in Ordnung; es gibt lediglich eine Konvention, nach der Fälle, die die einzigen ihrer Art sind, als "Einzelfälle" bezeichnet werden und nicht als "einziger Fall" (l’arbitraire du signe).

 

10.11 "Wo haben Sie denn Deutsch gelernt?" – "In Damaskus. Aber ein bisschen."
Warum wirkt diese Antwort so seltsam?

1) In beiden Sätzen der Antwort fehlen sowohl das Subjekt als auch das Verb. Auch Ellipsen müssen aber mindestens Subjekt oder Verb enthalten, um akzeptable Äußerungen zu sein.
2) In Ellipsen kann man EIN BISSCHEN nur verwenden, wenn es in dem Satz, in dessen Rahmen man es sich beim Verstehen "hineindenkt", als Attribut fungiert. ("Möchtest du Zucker?" – "Ja, ein bisschen." = "Ich möchte ein bisschen Zucker.") Hier aber wäre es ein Adverb zu GELERNT.
3) ABER bezeichnet einen Gegensatz. Der Übergang von "Deutsch lernen" zu "ein bisschen Deutsch lernen" ist kein Gegensatz; "nur ein bisschen Deutsch lernen" dagegen wäre ein Gegensatz und deshalb akzeptabel.
4) Mit ABER wie auch mit der Ellipse hat es nur insofern zu tun, als ABER nicht den Satzakzent tragen kann, so dass er hier unweigerlich auf EIN BISSCHEN fällt, das aber ebenfalls nicht betont werden kann.

 

10.12 Die deutsche Satzstellung ist im Vergleich zu der anderer Sprachen eher unübersichtlich, nicht nur wegen dem Unterschied zwischen Haupt- und Nebensatzstellung oder der sogenannten Satzklammer. Ein Mittelstufen-Lehrbuch bietet – es geht um Satzverknüpfung – das folgende Satzbauschema. Eine Zeile ist den Autoren dabei misslungen, in dem Sinn, dass sie falsche Schlussfolgerungen zum deutschen Satzbau nahelegt. Welche ist es?

Hauptsatz

Konnektor

Position 1

Position 2

Position 3, 4

Endposition

Sie will beruflich weiter-kommen.

 

Deshalb

besucht

sie einen Lehrgang.

 

Sie besucht einen Lehrgang,

denn

sie

will

beruflich

weiterkommen

Sie besucht einen Lehrgang,

 

sie

will

nämlich beruflich

weiterkommen

Sie besucht einen Lehrgang,

weil

sie

beruflich weiter-kommen

 

will

1) Zeile 1: DESHALB ist ein Konnektor, genau wie DENN; es sollte deshalb auch in der gleichen Spalte wie DENN eingeordnet werden.
2) Zeile 1: Die "Endposition" als möglicherweise unbesetzt darzustellen widerspricht den deutschen Satzbauregeln (Satzklammer).
3) Zeile 2: DENN hat hier eine Sonderposition noch vor "Position 1". Dadurch entsteht der Eindruck, als gehöre es syntaktisch nicht zum Satz.
4) Zeile 4: In "Position 2" steht hier ein Infinitiv. Infinitive haben aber, wenn eine Einteilung in Positionen Sinn machen soll, hier nichts zu suchen.
5) Zeile 4: Vor dem Verb (WEITERKOMMEN) steht in "Position 2" noch ein Adverb (BERUFLICH). Das entspricht eher der englischen als der deutschen Satzstellung.
6) Zeile 4: Sie suggeriert, dass im Nebensatz die Satzklammer beibehalten, aber das finite Verb mit dem infiniten vertauscht wird.
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