Startseite > Lehre (Archiv) > Forschung > Jugendsprache in Stuttgart unter dem Einfluss von kultureller, ethnischer und sprachlicher Vielfalt
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In den letzten Jahrzehnten hat sich die Bevölkerungsstruktur in vielen Großstädten Deutschlands (und Westeuropas) durch Migration und Abwanderung stark gewandelt. In Süden Deutschlands zählt Stuttgart zu den Städten mit dem höchsten Anteil an Jugendlichen mit Migrationshintergrund, unter anderem bedingt durch die starke Industrie und den daraus enstandenen hohen Bedarf an Arbeitskräften seit den 60-er Jahren. Sehr viele Einwanderer und deren Familien leben in der zweiten und dritten Generation in Stuttgart bzw. in Deutschland. Ein großer Teil der Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Stuttgart hat ausländische Großeltern oder Eltern; viele sind mit zwei Kulturen und auch mit mehreren Sprachen aufgewachsen.
Im deutschen Sprachraum, aber auch in Skandinavien und Großbritannien ist in solchen multikulturell und multilingual geprägten Stadtteilen die Entstehung von sogenannten Ethnolekten dokumentiert worden, d.h. eine ethnolektale Varietät der Standardsprache, die von einer ethnischen Minderheit typischerweise verwendet wird, so z.B. der „Türkenslang“ in Deutschland (vgl. u.a. Auer 2003; Dirim/Auer 2004), der aber vom „Gastarbeiterdeutsch“ der ersten Generation zu unterscheiden ist. In jüngerer Zeit ist zu beobachten, dass vor allem bei jugendlichen Sprechern, die in solchen Stadtteilen leben, die Ethnolekte eine Weiterentwicklung erfahren, indem sie sich von der ethno-spezifischen Verwendung lösen und unabhängig von Herkunft und Erstsprache im Sinne einer „Stadtteilsprache“ gebraucht werden, d.h. es findet ein Prozess der De-Ethnisierung statt (vgl. Auer 2003).

Ziel des Projekts ist es, Jugendsprache in Stuttgart im Hinblick auf diesen Prozess zu beschreiben. Zu diesem Zweck werden in freien Interviews mit Stuttgarter Jugendlichen zwischen 15 und 19 Jahren spontansprachliche Daten erhoben. Spezifische Merkmale auf der phonologischen, morphosyntaktischen und lexikalischen Ebene sollen beschrieben, quantitativ erfasst und analysiert werden. Eine Ausgangshypothese ist, dass das soziale Netzwerk einen wesentlichen Einfluss auf die sprachliche Praxis von Jugendlichen ausübt und somit multiethnisch geprägte Netzwerke der Ausgangspunkt für die Ausprägung von neuen, aus Ethnolekten entstandenen jugendsprachlichen Varietäten werden können.

 

Auer, Peter (2003): ‘Türkenslang’: Ein jugendsprachlicher Ethnolekt des Deutschen und seine Transformationen. In: Häcki-Buhofer, A. (Hrsg.) Spracherwerb und Lebensalter, Tübingen und Basel: A. Francke, 255-264

Dirim, İnci/Auer, Peter (2004): Türkisch sprechen nicht nur die Türken. Eine Studie zur Unschärfebeziehung zwischen Sprache und Ethnie. Berlin: de Gruyter

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